"Es gibt sie noch, die biblischen "Lilien auf dem Felde", auch bei uns in Norddeutschland. Es gibt noch blühende Wegraine und viele Ackerunkräuter, bunte und unscheinbare. Es gibt noch die seltene Heidelerche und den scheuen Ortolan – an Orten wie in Govelin ist er für den, der seinen Gesang kennt, weithin zu hören. Hier, auf kargen steinigen Äckern, in Hecken und lichten Waldrändern hat sich dank schonender Wirtschaftsweise der Bauern und ihrer frühzeitigen freiwilligen Mitarbeit eine Kulturlandschaft erhalten, die für den Spaziergänger eine tiefe Erholung und für den Fachmann und die Fachfrau eine Schatzkammer voller Seltenheiten ist." (Zitiert nach der Schautafel am Eingang zum Feld-Lilienpfad Govelin)
Manchmal ist es der Zufall, welcher einen in die schönsten landschaftlichen Winkel führt, die weit abseits vom großen Getriebe ihr eher verborgenes Dasein führen. So war es bei uns mit dem Feldlinienpfad bei Govelin:
Bei einem unserer Besuche im Wendland besichtigten wir das Museum in Hitzacker und schauten uns anschließend die dort zum Verkauf ausgelegten Bücher an. Wir entschieden uns eines davon zu kaufen: „Die Entdeckung des Wendlands – Eine Reiseerzählung“ von Willy Hardes. Darin beschreibt der Autor in romanhaftem Stil eine sechstägige Fahrradtour. Er erweist sich dabei als aufmerksamer und sehr feinsinniger Beobachter von Landschaft, Natur und Orten. Seine Tourenbeschreibungen laden zur Nachfolge und zu eigenen Entdeckungen ein. So stießen wir zunächst literarisch auf Govelin, Europas größtes Feldlilienvorkommen, und beschlossen, uns dort einmal umzuschauen (Ende Juni 2013).
Wenn man die B 216 hinter der Ortschaft Göhrde (Landkreis Lüchow-Dannenberg) links abbiegend verlässt und auf schmaler Straße sich Govelin nähert, dann hat man links und rechts die Landschaft überblickend sehr bald den Eindruck, in eine etwas andere Welt zu fahren. Govelin ist ein sehr kleiner Ort mit nur wenigen Gehöften. Vom kleinen Parkplatz begaben wir uns zu Fuß auf den Feldlilienpfad, geleitet von Wegweisern und Informationstafeln. Der Weg führt zunächst entlang einer schönen alten Allee von Eichenbäumen.
Lange bevor man die Feldlilien erreicht, erlebt man hier bereits die erste Überraschung: Es duftet intensiv von den Feldern her. Ist es der Hafer oder sind es die vielfältigen Wildkräuter, welche im extensiv angebauten Getreide ausdrücklich ihren Platz finden dürfen?!
Nie zuvor haben wir von Feldrainen aus einen solchen Duft der Felder verspürt. Wer sich hier beim Gehen viel Zeit lässt und in sich still wird, der wird spüren, dass dieser kleine landschaftliche Winkel eine andere, wunderbare Ausstrahlung besitzt. Hier gibt es noch eine Einheit von Mensch und Natur mit der Liebe und Rücksichtnahme allem Kreatürlichen gegenüber. Welch ein Kontrast gegenüber der Öde unübersehbarer Monokulturen z.B. aus Mais, welche zunehmend unsere Kulturlandschaften samt ihrer natürlichen Lebenswelt zerstören.
Mit der Vorstellung von „Europas größtem Feldlilienvorkommen“ im Kopf fokussierte sich unsere Suche allmählich auf eben dasselbe. Wir hatten vorher keine Fotos darüber finden können und erwarteten das Auftauchen einer auffällig orange leuchtenden Feldfläche. So suchten wir zunächst vergeblich, bis uns klar wurde, dass die Feldlilien einen ähnlichen Stellenwert besitzen wie die übrigen vielfältigen Wildkräuter. Und dann entdeckten wir sie, einzeln im Getreide, hier und dort verstreut, zuweilen in kleinen Gruppen, sogar am Feldrand wachsend. Ein schönes Erlebnis! Es versteht sich von selbst, nicht in die Felder zu treten. Wer geduldig sucht, der wird schöne Exemplare auch am Wege finden und aus der Nähe betrachten können.