Der Bundeskanzler Olaf Scholz wird vermutlich dereinst als der große Zauderer und Meister einer fadenscheinigen Argumentation in die Geschichtsanalen eingehen. Mit seiner Weigerung, der Ukraine Taurus-Marschflugkörper zur Verfügung zu stellen, wird ein Sieg der Ukraine immer unwahrscheinlicher und der zermürbende und verlustreiche Stellungskrieg unnötig verlängert. Zudem bröckelt zunehmend die bisher einigermaßen geschlossene Front der internationalen Unterstützer, was dem Aggressor weiter in die Hände spielt. 

Auch diejenigen in der Regierungskoalition, welche seinerzeit vehement eine Lieferung forderten, um sich dann aber sang- und klanglos dem Kanzler und der Koalitionsräson zu beugen, werden ebenfalls als rückgratlose Versager dastehen, wenn russische Truppen dereinst in Deutschland einfallen. Man vergesse nicht: Putin hat hoch gepokert und sein eigenes Volk gründlich belogen, das einen hohen Blutzoll dafür zahlt und irgendwann Rechenschaft darüber fordern wird. Seine politische Zukunft ist also unabänderlich an einen militärischen Sieg geknüpft. Für ihn gibt es keinerlei Alternative.

Angesichts der zunehmenden heftigen Raketen- und Drohnenattacken auf die Energieinfrastruktur und sonstige zivile Ziele in der Ukraine fordert Präsident Selenskij die Lieferung von mehr Patriot-Abwehrsystemen. Auf mehr dieser Systeme dürfte Russland mit mehr Raketen reagieren, eine Entwicklung, die sich immer weiter hochschaukelt, ohne dass dabei ein Ende oder ein Sieg abzusehen wäre. Und die Kosten? 

Zugleich mobilisiert Russland immer mehr Waffen und Soldaten in Vorbereitung einer Frühjahrsoffensive, derer sich zu erwehren es der Ukraine an Soldaten und Waffen fehlt. Somit wird überaus deutlich, dass 2023 die letzte Chance vertan wurde, die Ukraine so mit Waffen auszustatten, und dazu gehören auch die Taurus-Marschflugkörper, dass diese eine siegreiche Offensive hätte starten können. 

Putin wird es den Zauderern sehr danken, zu denen ja auch, wider alle mahnenden Stimmen, der deutsche Zeitenwende-Bundeskanzler gehört. Das Jahr 2024 ist ein Superwahljahr. Warten wir es ab, was da alles noch Putin in die Hände spielen wird! In der Slowakei hat es ja bereits begonnen! Eine Tragödie ohne Ende!

Wie abgestumpft gegen alle verzweifelten Appelle und Warnungen und auch gegen das nicht endende unermeßliche Leid der Menschen in der Ukraine müssen Politiker sein, wenn sie das alles buchstäblich aussitzen und, anstatt wirkungsvolle Waffen zu liefern, sich große Gedanken zum Wiederaufbau der Ukraine machen. Eine faule Alibiveranstaltung, sinnloser Aktionismus, wenn es die Ukraine vielleicht als freien Staat bald nicht mehr geben wird. 

Herr Scholz, Sie geben mit Ihrem Zögern nicht nur die Ukraine preis, sondern setzen damit auch die Freiheit Europas leichtfertig aufs Spiel.

Es ist ja dieses naive, immer aber nur selbstbezogene deutsche Gutmenschentum, das um des eigenen Seelenfriedens und Wohlbefindens willen eine ernsthafte Auseinandersetzung scheut. Eine Politik, welche sehr an „Biedermann und die Brandstifter“ (Max Frisch) erinnert. Diese hat ja, über Jahrzehnte gegenüber Putin und Russland praktiziert, erst zu der heutigen fatalen Situation geführt.

Beim deutschen Einsatz in Afghanistan wurde mit der Formel „Deutschland wird am Hindukusch verteidigt“ eine äußerst fragwürdige Rechtfertigung sogar für den Einsatz von Soldaten vorgenommen. Aber das lag ja alles in weiter Ferne und war, abgesehen von den Soldaten, die bei dem Einsatz starben oder zu Schaden kamen, nicht weiter beunruhigend. Jetzt aber müsste mit wirklicher Berechtigung die Formel „Deutschland wird in der Ukraine verteidigt“ zur entschiedenen Anwendung kommen, nicht mit deutschen Soldaten, aber mit wirkungsvolleren Waffen.

Wenn Kanzler Scholz auf einer Veranstaltung kürzlich sinngemäß sagte, der Krieg könne durchaus noch fünf Jahre dauern, so frage ich mich ganz ernsthaft, wieviel Empathie und vor allem wieviel entschlossenen Handlungswillen dieser Politikmensch in Sachen Ukraine eigentlich noch hat? Fünf Jahre in ständig zurückweichender Defensive! Das bedeutet ein zusammengeschossenes und ausgeblutetes Land, vielleicht teilweise oder ganz als Putins Beute. Zynischer kann man eigentlich gar nicht reden! Aber es ist eben das wohlfeile Mäntelchen einer sogenannten Realpolitik, welche mit dem Anschein eines sorgfältigen Abwägens Zögerlichkeiten geschickt zu verdecken sucht. Und vor allem: Das potentielle Wahlpublikum applaudiert dazu, weil es in seiner trügerischen Seelenruhe nicht gestört werden will!

Und gerade diese Klientel, die offensichtlich zahlreich ist, wird sehr umworben, und zum erfolgreichen Fang dieser benötigt man aber einen geeigneten Köder, und der heißt hier: sofortige Friedensverhandlungen, besonders auch gefordert von einer Politikerin, die bevorzugt in einem roten Kostüm auftritt. Nach der realen Lage der Dinge könnten dies nur Verhandlungen unter Bedingungen sein, die Putin diktiert. Aber das und die daraus resultierenden weiteren Konsequenzen für die Ukraine und auch für uns und ganz Europa werden natürlich nicht benannt. Das ist Populismus in Reinkultur, wie er abstoßender gar nicht sein kann!

Joachim Petersen